Montag, 8:40 Uhr irgendwo in Köln. Wir stehen mit zwei baugleichen Volvo XC60 B5 Mild-Hybrid Diesel AWD in einer Tiefgarage, vollgetankt und bereit für eine 458 Kilometer lange Vergleichsfahrt (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 5,4 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 142 g/km²). Von der Rheinmetropole geht es über die A3 an Limburg vorbei nach Frankfurt, anschließend kurz vor Aschaffenburg auf die A45 Richtung Gießen und schließlich am Kreuz Olpe über die Autobahn A4 zurück nach Köln. Bereits früher am Morgen bat man uns in die Facharztklinik Links vom Rhein zu Herrn Dr. Esser. Eine Blutabnahme und das Anlegen eines Langzeit-EKGs auf der frisch rasierten Brust standen auf dem Programm, damit es am Ende auch "belastbare Beweise“ gibt. Beweise für was? Dass Schnellfahren möglicherweise anstrengender ist, den Puls nach oben treibt und somit nicht gesund für Körper und Geist ist.
Aber gemach. Zunächst geht es durch den ferienbedingt eher ruhigen Morgenverkehr im Rheinland. Beide 235 PS starken Volvo XC60 befinden sich dank Tempolimit gleichauf, ein Vorteil für den noch vor Mai 2020 erstzugelassenen 220 km/h schnellen Schweden ist kaum herauszufahren. Erst nach Köln lichten sich Verkehr und Geschwindigkeitsbegrenzung. Beide SUVs beschleunigen, laut Tacho ist beim abgesicherten XC60 bei 185 km/h Schluss. Langsam, aber sicher entfernt sich der schnellere der beiden, bis der Verkehr vor Frankfurt wieder dichter und der Abstand geringer wird. Punkt also für die Volvo-Absicherung?
Beide Volvos fahren lange gleichauf
Noch sind wir nicht wieder am Ziel angekommen, noch ist nicht einmal Halbzeit. Es bleibt nach dem Frankfurter Flughafen Zeit darüber nachzudenken, ob Volvo da nun einen gewieften Marketing-Coup gelandet hat oder ob es die Schweden wirklich ernst meinen, mit ihrem Sicherheits- und Umweltanspruch. Man darf schließlich nicht vergessen, dass die Elektro-Marke von Volvo, Polestar, seine Fahrzeuge weiterhin erst bei 200 beziehungsweise 250 km/h begrenzt. Weiterhin senkt die vorzeitige Tempolimitierung zukünftig auch die Entwicklungskosten der Fahrzeuge, müssen die stark motorisierten Varianten teils nicht mehr und ausschließlich für den deutschen Markt auf ihre Vollgasfestigkeit erprobt werden.
Auf der anderen Seite ist Volvo ein Hersteller, der sich schon immer sehr sicheren Fahrzeugen verschrieben und schon sehr früh mit der Teilelektrifizierung seiner Modelle begonnen hat. Somit kann man Volvo vorwerfen hier im Eigennutz gehandelt zu haben, man muss es aber nicht. Ferner wird die Limitierung der Fahrzeuge dadurch gerechtfertigt, dass die meisten Volvofahrer ohnehin nicht zur Heizer-Fraktion gehören, es lieber gemütlich angehen lassen. Unabhängig davon kam auch eine Umfrage von Innofact im Auftrag von AutoScout24 Anfang Juli (hier nachzulesen) zu dem Ergebnis, dass eine Mehrheit der Befragten eine Tempodrosselung von Neufahrzeugen begrüßen würde.
Erst spät gelingt der Ausbruch
Zurück zur Vergleichsfahrt: Auf der zweispurigen A45 angekommen liegen zahlreiche unlimitierte Autobahnkilometer mit überschaubarem Verkehrsgeschehen vor uns. Der 220 km/h XC60 entfernt sich mehr als deutlich vom 180 km/h Probanden. Mehrere Lkw, die nacheinander zum Überholen ansetzen, sorgen zusätzlich für Abstand.
Nach Gießen erscheint der langsamere Volvo nicht mehr im Rückspiegel. Auch dann nicht, als sich der Verkehr bedingt durch eine Baustelle zu stauen beginnt. Kann der 220 km/h schnelle Diesel nun entscheidende Meter machen? Nach dem Kreuz Olpe und bereits auf der A4 rasselt der B5 Mild-Hybrid erstmals in den Limiter; 250 Sachen wären hier kein Problem. Neben der zeitlichen Komponente wird auch interessant sein, wie es um den Mehrverbrauch bestellt ist. Zurück am Rhein sind die Straßen wieder mehr gefüllt, Tempolimits senken die Geschwindigkeit zusätzlich.
Geringer Mehrverbrauch versus geringe Zeitersparnis
An der Zieltankstelle angelangt rekapitulieren wir den Spritverbrauch des schnelleren XC60 – vom abgesicherten Modell ist da noch nichts zu sehen. 53,79 Liter Diesel passen nun in den Tank, was einen errechneten Spritverbrauch von 11,74 Liter auf 100 Kilometer ergibt. Kaum fünf Minuten später biegt der rote und auf 180 km/h abgesicherte Volvo XC60 auf den Hof der Tankstelle. 52,71 Liter passen hier in den Tank, der Spritverbrauch liegt damit bei 11,5 Liter auf 100 Kilometer. Die erfahrene Durchschnittsgeschwindigkeit lag übrigens bei 124,34 km/h (nicht abgesichert) und 121,6 km/h (abgesichert).
Fazit
Auch diese Vergleichsfahrt wird die Befürworter und Gegner eines Tempolimits nicht zusammenführen. Die Ergebnisse bleiben eine Momentaufnahme, die selbstredend nicht auf jedes Fahrprofil zutreffen müssen. Erstaunlicherweise hielt sich der Mehrverbrauch beim schnelleren XC60 in Grenzen, wohingegen die Zeitdifferenz mit gerade einmal fünf Minuten zugunsten des nicht abgesicherten Fahrzeugs erwartungsgemäß gering ausfiel. Und was sprechen die anfangs erwähnten „belastbaren Beweise“ aus ärztlicher Sicht? Vor allem, dass beide Fahrer gesund sind und sich auch beim Piloten des schnelleren Schweden-SUV keine nennenswert höheren Stresswerte ablesen ließen.
Persönliche Anmerkung des Autors: Die Diskussion über ein generelles Tempolimit auf deutschen Straßen ist in der Tat sehr emotionsgeladen. Auch Statistiken oder solche Vergleichsfahrten werden nicht dazu beitragen, dass sich Befürworter und Gegner eines Tempolimits mit aller Sachlichkeit an einen Tisch setzen. Den Befürwortern eines Tempolimits sei ein Blick auf die Straßen geraten, die meist ohnehin keine hohen Geschwindigkeiten mehr ermöglichen. Den Gegnern eines Tempolimits sei auf den Weg gegeben, dass die Senkung der Maximalgeschwindigkeit nicht nur der Umwelt und dem eigenen Geldbeutel zugutekommt, sondern dass man auch insgesamt entspannter ans Ziel kommt. Allerdings möchte ich mich hier persönlich nicht auf ein generelles Tempolimit festlegen. Denn selbst wenn in Deutschland irgendwann Tempo 130 gelten sollte, kann ein Fahrer ohne Sinn und Verstand auch mit einem auf 180 km/h abgesicherten Volvo XC60 unverantwortlich Auto fahren. (Text: Thomas Vogelhuber | Bilder: Frank Ratering für Volvo)