Liebe Leserin, lieber Leser – es ist hoffentlich in Ordnung für dich, dass wir diese Geschichte mit einem „Happy-End“ beginnen. Das drängt sich beim Rückblick auf die Geschichte des VW Golf Variant nämlich auf. 1993, als auf Basis der dritten Golf-Generation erstmals der längere Kombi auf den Markt kam, wurde dieser nämlich auf Werbeplakaten, in Anzeigen und Prospekten als „Golf mit Happy-End“ beworben.
Die Kunden waren glücklich, konnten sie doch jetzt in einen Golf mehr einladen als gewohnt. Aber ob VW mit dem Image des kompakten Variant so richtig glücklich war? Seinen Außendienst- und Firmenwagencharme versuchte er mit dem Modellwechsel 1997 abzulegen. Aber selbst als Zwilling mit eckiger Front, Rahmenkopfstützen und „Bora“-Schriftzügen (einer der vielen Versuche, den Jetta zu beerben) wurde aus dem Golf Variant kein Charmeur.
Über die Golf-Generationen gab es fortan einen Begleiter mit Kombiheck, der sich nicht nur gegen den größeren Passat, sondern zunehmend auch gegen die konzerninterne Konkurrenz in Form des Skoda Octavia behaupten musste und weiterhin muss – aber immerhin mit geschärfter Klinge.
Bekanntlich nutzt VW beim Golf 8 die Flexibilität der MQB-Architektur. Wenn der erwähnte Skoda Octavia und neuerdings auch der Seat Leon mit einem sieben Zentimeter längeren Radstand den Golf beim Insassenkomfort ausstechen wollen, zieht der Wolfsburger einfach nach. Während der kompakte Golf er selbst bleibt, streckt der Variant seine Achsen jetzt 2,69 Meter weit auseinander.
Das gibt den Designern auch mehr Spielraum bei der Karosseriegestaltung. Mit einer schrägen Heckscheibe wirkt der Golf Variant dynamischer als bisher. 611 Liter fasst sein Laderaum, durch das Umklappen der Fondlehne lässt er sich auf 1.642 Liter erweitern. Dass dann keine ebene Ladefläche entsteht, ist bedauernswert – aber bei modernen Kombis leider gang und gäbe.
Einladen kann er also weiterhin, der Golf Variant. Aber was ist mit Einsteigen? Wenn sich die hinteren Türen öffnen, sollte langsam auch der Passat nervös werden. Denn mit dem längeren Radstand bietet der Golf-Kombi verschwenderischen Beinraum. Das Kombiheck sorgt zudem für eine ausgezeichnete Kopffreiheit.
Mit kleinen Taschen an der Rückseite der Vordersitzlehnen, die Smartphones und anderen Kleinkram aufnehmen, beweist der Golf seinen Alltagsnutzen. Dem stehen dann nur die Sportsitze der Ausstattungslinie R-Line im Wege – im wahrsten Sinne des Wortes. Ihre integrierten Kopfstützen versperren den Mitfahrern die Aussicht, zusammen mit dem schwarzen Dachhimmel wirkt der luftige Fond gedrückter, als er ist.
Vielleicht haben Fahrer und Beifahrer deswegen ein schlechtes Gewissen. Dabei sitzen sie aber sehr bequem auf eben jenem Sportgestühl, genießen guten Seitenhalt und eine angenehme Beinauflage.
Die Entspannung tut gut, wenn man sich im digitalen Dschungel der Menüführung verirrt. Sofern man den Golf nicht als Basismodell mit „kleinem Radio“ bestellt, verzichtet die achte Generation komplett auf Drehregler und weitestgehend auf Knöpfe. Mittlerweile gilt das auch für das Multifunktionslenkrad, dessen kapazitive Felder ihre Befehle stets leicht verzögert weiterreichen.
Reduzieren ließ sich auch das Format des Wählhebels für das Doppelkupplungsgetriebe (DSG). „Shift by wire“, ohne mechanischen Befehl, erlaubt die Getriebebedienung über einen kleinen Knubbel.
Fährt der Golf, wie im Falle unseres Testwagens, als 1.5 eTSI (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 4,9 Liter/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 112 g/km²) vor, bedeutet die Wahl des DSG automatisch eine Elektrifizierung als 48-Volt-Mildhybrid. Im Schubbetrieb oder beim Bremsen wird Energie rekuperiert und in einer Lithium-Ionen-Batterie unter dem Beifahrersitz gespeichert.
Beim Anfahren und Beschleunigen reicht der Zusatzschub des integrierten Riemenstartergenerators für zügiges Vorankommen aus. Viel wichtiger aber: Beim entspannten Reisen knipst das System den Motor auch bei winterlichen Minusgraden so oft wie möglich aus. Sobald man wieder auf das Gaspedal tritt, oder die Software die Motorbremse nutzen will, meldet sich der Vierzylinder wieder zum Dienst. Das gelingt ohne störende Geräusche oder Vibrationen.
Zusammen mit dem aufpreispflichtigen DCC-Fahrwerk, dessen adaptive Dämpfer sich vielfältig einstellen lassen, wird der VW Golf Variant 1.5 eTSI zum kompetenten Langstreckenauto. Mit einem Testmittel von 6,5 Litern (laut Bordcomputer), inklusive Autobahnhatz, bleibt der Verbrauch dabei auf niedrigem Niveau.
Das kann man vom Preis nur bedingt behaupten. Mindestens 31.550 Euro kostet der Golf Variant 1.5 eTSI mit 150 PS in der Ausstattungslinie Life. Der Testwagen als Golf R-Line mit allerlei Extras kommt auf knapp unter 43.000 Euro.
Zu einem „Happy End“ an der Kasse kommt es dann aber doch noch. Nicht nur, wenn man merkt, dass ein vergleichbar ausgestatteter und motorisierter Skoda Octavia Combi mittlerweile kaum billiger ist. Sondern auch, weil der Langheck-Golf mit dem längeren Radstand endlich auch eine Alternative zum Familien-Passat ist. Und der ist je nach Ausstattung etwa 6.000 Euro teurer.
Ein Herzensbrecher wird der VW Golf Variant auch in seiner Neuauflage nicht. Aber vor allem dank des längeren Radstands ist er jetzt nicht nur ein Lademeister, sondern auch ein perfektes Familienauto, dass dem größeren Passat einige Kunden streitig machen wird. Wer sich vom Bedienkonzept nicht digital überfordert fühlt und einen sparsamen Benziner sucht, dürfte mit dem ausgewogenen 1.5 eTSI kaum etwas falsch machen.
War es das schon? Dieses Mal leider nicht. Denn die Frage in der Headline muss leider mit „so nicht“ beantwortet werden. Es ist bekannt, dass VW den Golf 8 und damit auch viele Kunden mit der im Fahrzeug verbauten Software überfordert hat. 56.000 bereits ausgelieferte Autos wurden im Rahmen einer Serviceaktion mit einem Update versehen.
Der Testwagen wollte aber nochmal das volle Lametta seiner Warnleuchten und Fehlermeldungen zeigen. Erst erschienen alle Warntöne und Hinweise (Getriebe defekt, Bremsen defekt usw.), die das digitale Kombiinstrument so draufhat. Erst nahm der Motor kein Gas mehr an, ging dann sogar währen der Fahrt aus! Nach dem Ausrollen auf dem Autobahn-Standstreifen ließ sich das Auto nicht mehr starten. Der Abschleppdienst konnte auch das Getriebe nicht in die Neutral-Stellung bringen, um den havarierten Golf auf die Laderampe zu ziehen.
Ein Einzelfall? Die Hoffnung stirbt zuletzt. Denn beim Testwagen handelte es sich um ein Vorserienexemplar, das sich teils handgefertigt in vielen Punkten zum Serienauto unterscheiden kann. So ein „Sad-End“ bleibt Kunden mit ihrem Golf Variant hoffentlich erspart. (Text und Bild: Bernd Conrad)