Volkswagen will nachhaltig werden, reduziert dazu seinen CO2-Fußabdruck und hat nach anfänglichen Schwierigkeiten jetzt auch sein erstes (richtiges) Elektroauto, den ID.3 (hier im ersten Test), zu den „First Movern“ gebracht (Stromverbrauch kombiniert: 14,5 kWh/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 0 g/km²). Doch der Kampf um saubere Luft, er wird woanders geführt. Im Massenmarkt um T-Roc, Tiguan oder dem Golf. Auch wenn die hauseigenen SUV-Derivate dem Inbegriff der Kompaktklasse langsam, aber sicher den Rang ablaufen – ohne den VW Golf geht es nicht.
Seit bald einem Jahr ist der Wolfsburger in achter Generation präsentiert, in den kommenden Wochen feiern die Plug-in- und Mild-Hybrid-Varianten ab 26.972 Euro ihren Marktstart. Auf Einladung des Herstellers sind wir den 245 PS starken Golf VIII GTE PHEV (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 1,7 l/100 km; Stromverbrauch kombiniert 12,4 kWh/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 38 g/km²) sowie den 150 PS leistenden 1.5 eTSI Mild-Hybrid erstmals Probegefahren (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 4,7-4,5 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 108-104 g/km²).
Golf GTE ist mehr Reisewagen als Sportler
Wir beginnen mit dem Top-Hybriden namens Golf GTE und seinem Doppelherzantrieb. Ein 110 kW/150 PS starker 1,4-Liter-Turbobenziner fährt hier in Kombination mit einer 80 kW/110 PS starken E-Maschine vor. Alternativlos gekoppelt an ein blitzschnelles 6-Gang-Doppelkupplungsgetriebe, welches die Leistung ausnahmslos an die Vorderräder überträgt. Im System ergeben sich derlei 180 kW/245 PS und maximal 400 Newtonmeter Drehmoment. Auf dem Papier klingen diese Werte nicht untermotorisiert und auch auf den ersten Metern, bei knapp 90-prozentigem Batterieladestand, weiß die Antriebskombi zu überzeugen.
Im Normalfall startet der Golf GTE im flüsterleisen E-Modus und wird erst dann vom Benziner unterstützt, wenn das Gaspedal deutlicher gen Bodenblech gedrückt wird. Durch die gut abgestimmte elektrische Lenkung sowie das kommod bis straff arbeitende Adaptivfahrwerk (DCC) lässt sich der GTE mitunter sehr flott durch Kurven treiben, der Frontantrieb sowie das mit 1.650 Kilogramm vergleichsweise hohe Fahrzeuggewicht sind die früh limitierenden Faktoren. Wer mehr Kompaktsport wünsch, greift besser zum altgedienten GTI (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 6,5 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 149 g/km²).
Rein elektrisch bis 130 km/h schnell
Bis 130 km/h schnell kann der Wolfsburger stromern, anschließend eilt der 1.4 TSI zur Hilfe. Es handelt sich um die gleiche Antriebseinheit, die schon beim aktuellen VW Passat GTE zum Einsatz kommt, die elektrische Reichweite dürfte bei gemächlicher Fahrt bei etwas unter 50 Kilometer liegen (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 1,4 l/100 km; Stromverbrauch kombiniert: 13,8 kWh/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 32 g/km²). Zwischen Hannover und Wolfsburg waren wir überwiegend im voreingestellten Hybrid-Modus unterwegs, haben den Golf selbst entscheiden lassen, wie und wann er welchen Motor am besten einsetzt.
Am Ende zeigte der Bordcomputer einen Verbrauch von 4,5 Liter Superbenzin sowie neun kWh Strom auf 100 Kilometer an. Werte, die für einen 245 PS starken Kompaktwagen durchaus in Ordnung gehen, die aber nur zustande kamen, da wir den GTE mit viel Zurückhaltung bewegt haben.
VW probt die digitale Verkehrserziehung
Wie bei allen modernen Hybridfahrzeugen hängt vieles vom Fahrer ab. Ist die brutto 13 kWh große Batterie im Fahrzeugheck leergezogen, heißt es zurück an die Ladestation. 3,5 Stunden an der Wallbox sollen für eine volle Ladung ausreichen. Steht derlei nicht zur Verfügung, sorgt alleinig der brummige und teils lauthalse Vierzylinder-TSI für Vortrieb. Wer dann ordentlich im Gas steht, darf sich über zweistellige Verbrauchswerte nicht wundern. Das ist die Krux der Doppelherztechnik, die Volkswagen mit ziemlich viel digitaler Verkehrserziehung versucht abzumildern.
Der Golf GTE mahnt, bremst und greift ein. Nicht nur um den Spritverbrauch zu senken, sondern auch um insgesamt sicherer unterwegs zu sein. Jene Bevormundung kann man mögen, sie kann allerdings auch nerven. Auf der anderen Seite muss geschrieben werden, dass der umfangreiche VW Travel Assist bei gut markierten Straßen seine Arbeit sehr zuverlässig verrichtet, was vom Notbremsassistent nicht gesagt werden kann. Mehrere Fehlwarnungen und eine unnötige Vollbremsung später war das System manuell deaktiviert. Für vorzeitige Herzinfarkte dürfte indes der Rückfahrassistent sorgen, der bei Rangierfahrten weiterhin ohne erkennbaren Grund für Vollstopps sorgt.
Durchwachsene Materialqualität, komplizierte Bedienung
Die Technikquerelen um den Golf 8 sind mittlerweile bekannt, doch immerhin das neue MIB3-Infotainmentsystem lief stabil. Ob man es nun loben soll steht auf einem anderen Blatt. Für unsereins ist die Bedienung wenig intuitiv, das digitale Kombiinstrument mit Informationen überfrachtet, genauso wie das Lenkrad bis ins letzte Eck mit Bedienflächen zugekleistert ist. Hier wäre etwas weniger mehr gewesen. Vor allem, da nicht jeder Golf-Fahrer Anfang 30 ist und ein Informatikstudium absolviert hat.
Immerhin freut sich Volkswagen selbst darüber, dass so elementare Bedienelemente wie ein Scheibenwischer- oder Blinkerhebel noch an jener Stelle sitzen, wo sie schon beim Golf 1 verbaut wurden. An eine einfache Klimasteuerung hat dabei aber keiner mehr gedacht – sie findet sich einzig in den Untiefen des MIB3. Ob nun Basis-Golf, GTE oder eTSI mit R-Line-Paket – alle haben gemein, dass die Materialqualität im Innenraum durchwachsen ausfällt.
Golf GTE mit kleinerem Kofferraum
Im vorne großzügig dimensionierten Innenraum wechseln sich geschäumte, klopffeste und kratzempfindliche Oberflächen ab, hinten wird es qualitativ nicht besser. Immerhin: Die in den Probefahrzeugen verbauten Sportsitze (beim GTE mit blauen Akzenten) sind gewohnt straff und bequem, das Sportlenkrad liegt griffig in der Hand. Hinten sitzen gelingt derweil selbst mit 1,90 Meter Körpergröße ohne Kontakt zum Dachhimmel, die Bein- und Kniefreiheit ist gewohnt beengt. Im Kofferraum finden 381 Liter Gepäck Platz, mit umgelegter Rücksitzbank sind es maximal 1.237 Liter. Der Hybrid-Technik sei Dank gibt es speziell unter dem Kofferraumboden des GTE nur noch kleine Staufächer zu befüllen, das Ladevolumen sinkt auf 272 bis 1.126 Liter. An ein Ersatzrad ist da nicht mehr zu denken.
Golf 1.5 eTSI: kultiviert und sparsam
Wir steigen um in den 110 kW/150 PS starken 1.5 eTSI (4-Zylinder), der zusammen mit dem 81 kW/110 PS leistenden 1.0 eTSI (3-Zylinder) den Einstieg in die teilelektrische Golf-Welt markiert (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 4,3 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 98 g/km²). Rein elektrisch können beide Antriebe nicht bewegt werden, doch sorgt ein Riemenstartergenerator nebst kleiner Lithium-Ionen-Batterie dafür, dass der Wolfsburger überschüssige Energie rekuperiert und Segeln lernt.
Wann immer die Systemgrenzen es zulassen wird der Motor vom 7-Gang-Doppelkuppler getrennt, das Aggregat gar vollständig deaktiviert. Das Aus- und Einkuppeln gelingt beinahe unmerklich und ist vordergründig über den Drehzahlmesser wahrnehmbar. Der 1.5 TSI entpuppt sich zugleich als kultivierter Reisebegleiter, der akustisch zurückhaltend zu Werke geht, jedoch nicht mit hohen Leistungsreserven glänzt. Unsere erste Testfahrt (vorwiegend auf Überlandstrecken) ergab einen Verbrauch um 5,5 Liter Superbenzin auf 100 Kilometer.
Erstes Fazit
Neben dem mindestens 41.667 Euro teuren Golf GTE am oberen, sowie den ab 26.972 Euro erhältlichen eTSI-Modelle am unteren Ende rangiert noch der neue 150 kW/204 PS starke Golf eHybrid ab 39.781 Euro (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 1,1 l/100 km; Stromverbrauch kombiniert: 12,4 kWh/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 28 g/km²). Beide Plug-in-Hybrid-Varianten eignen sich aufgrund der hohen Einstandspreise (auch nach Abzug der Innovationsprämie) derzeit vor allem für Firmenwagenberechtige, die anhand der reduzierten Bemessungsgrundlage bares Geld sparen können. Stellt der Arbeitgeber (oder die eigene Garage) dann im Idealfall noch eine Lademöglichkeit bereit, können sich die technisch gut abgestimmten PHEVs in der Tat lohnen. Hier sei angemerkt, dass die Ladekabel im Kofferraum keine Dekoration sind.
Wer hingegen im privaten Umfeld auf einen neuen Golf spekuliert, keinen Diesel mehr wünscht, kann immerhin durch die neuen eTSI-Modelle Kraftstoff einsparen. Wenngleich der Golf im Generellen sicher, überwiegend leise und kommod fährt, ist die Materialqualität im Innenraum ein deutlicher Rückschritt im Vergleich zu den Vorgängern. Mit dem unübersichtlichen Infotainment-System MIB3 dürfte nicht jeder zurechtkommen. (Text und Bild: Thomas Vogelhuber)
Technische Daten*
- Modell: Volkswagen Golf VIII GTE
- Motor: 4Zyl-Ottomotor, 1.395 cm³ + Elektromotor
- Systemleistung: 245 PS (180 kW)
- Drehmoment: 400 Nm bei 1.550 U/min
- Antrieb: Frontantrieb, 6-Gang-DSG
- Verbrauch kombiniert: 1,7 l/100 km²
- Stromverbrauch kombiniert: 12,4 kWh/100 km²
- CO2-Emissionen kombiniert: 38 g/km²
- Beschleunigung (0 – 100 km/h): 6,7 s
- Höchstgeschwindigkeit: 225 km/h
- Abmessungen (L/B/H): 4,27 m/1,81 m/1,52 m
- Gewicht: ca. 1.650 kg
- Grundpreis VW Golf GTE: ab 41.667 Euro (inkl. 16% MwSt.)
- Modell: Volkswagen Golf VIII R-Line 1.5 eTSI DSG
- Motor: Vierzylinder-Ottomotor, 1.498 cm³
- Leistung: 150 PS (110 kW) bei 5.000 U/min
- Drehmoment: 250 Nm bei 1.500 U/min
- Antrieb: Frontantrieb, 7-Gang-DSG
- Verbrauch kombiniert: 4,7-4,5 l/100 km²
- CO2-Emissionen kombiniert: 108-104 g/km²
- Beschleunigung (0 – 100 km/h): 8,5 s
- Höchstgeschwindigkeit: 224 km/h
- Abmessungen (L/B/H): 4,28 m/1,79 m/1,48 m
- Gewicht: ca. 1.380 kg
- Grundpreis VW Golf 1.5 eTSI: ab 26.972 Euro (inkl. 16% MwSt.)
*Herstellerangaben