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Sitzprobe: VW Jetta VI – Stufen-Golf für Europa

Wenige Monate nach der exklusiven Premiere der US-Version am New Yorkerer Times Square hat Volkswagen die europäische, höherwertige Ausgabe des neuen Jetta in München präsentiert.

Die Wolfsburger haben hohe Erwartungen an ihre Limousine, die die Lücke zwischen Golf und Passat schließen soll. Mittlerweile blickt der Jetta auf eine über 30jährige Geschichte zurück, mit zahlreichen Namenswechseln – zumindest in Europa. Die dritte Generation wurde 1992 in Vento umbenannt, der sechs Jahre später vorgestellte Nachfolger hörte auf den Namen Bora, 2005 kehrte man mit dem Jetta V wieder zu alten Bezeichnung zurück.

Grund für das Verwirrspiel hierzulande waren Imageprobleme der ersten beiden Generationen. Als spießig, langweilig und Rentnerauto war der Jetta verschrien, ein neuer Name sollte das ändern und die Verkaufszahlen ankurbeln – was allerdings nur bedingt gelang. In den USA dagegen war das nicht nötig, der Jetta ist überm großen Teich das erfolgreichste Auto aller europäischen Hersteller; bis zu 110.000 Jetta werden dort jährlich verkauft.

Modern statt spießig

Was mit den Namensspielereien nicht gelungen ist, soll nun der neue Jetta VI schaffen, der im Vergleich zu seinen Vorgängern weit weniger langweilig auftritt und mit eigenständigem, modernen Design die Käufer ansprechen soll. Trotzdem: In Deutschland dürfte auch der neue, in Mexiko gebaute Jetta wohl kein Kassenschlager werden; der Verkauf von Stufenhecklimousinen im Kompaktsegment gleicht hierzulande dem Handel mit Zitronen und nur im Osten der Republik greifen Autokäufer einigermaßen gerne zu.

Dabei liegt VW mit seiner Vision, der Jetta könnte die Lücke zwischen Golf und Passat schließen, gar nicht so falsch. Gegenüber seiner technischen Basis, dem VW Golf, ist die Vorderachse beim Jetta um 25 Millimeter nach vorne gerutscht, insgesamt hat die Limousine um fast zehn Zentimeter auf 4,64 Meter zugelegt und bietet damit ausreichend Platz.

Ausreichend geräumig

Zwar ist der große, 4,77 Meter lange Bruder Passat freilich geräumiger, doch können selbst hinter einem über 1,90 Meter großen Fahrer die Fondpassagiere bequem sitzen. Einziger Kritikpunkt auf der Rückbank ist die Kopffreiheit, die für Großgewachsene etwas zu gering ausfällt. Das Gestühl hingegen überzeugte bei unserer ersten Sitzprobe vorne wie hinten mit seiner straffen Polsterung und gutem Komfort.

Überzeugen konnte auch der Kofferraum der Limousine. 530 Liter Gepäck passen hinter die 40:60 geteilte Rückbank, ein völlig ebener, unzerklüfteter Boden erleichtert das Beladen. Schwieriger wird es allerdings, in dem äußert tiefen Kofferraum an die ganz nach hinten gerutschten Gepäckstücke ranzukommen. Reicht der Platz dennoch nicht, lässt sich die Rückenlehne per Fernentriegelung im Kofferraum umklappen.

Für Europa hochwertiger

Gegenüber der amerikanischen Version verspricht VW-Entwicklungsvorstand Hackenberg „mehr Werthaltigkeit“, und will damit sagen, dass der Europa-Jetta neben einem besseren Fahrwerk und modernen, aufgeladenen Motoren auch mehr Verarbeitungsqualität bietet und mit besseren Materialien aufwartet. Das hat sich auch beim ersten Befühlen der Limousine bewahrheitet – zumindest weitestgehend.

Das aus dem Golf bekannte Cockpit wirkt solide verarbeitet, Mängel fallen auf den ersten Blick keine auf. Allerdings setzt VW auch in Europa noch reichlich Hartplastik ein. Das sieht zwar nicht schlecht aus, fühlt sich aber nicht ganz so angenehm an. Und: Zur Präsentation in München haben die Wolfsburger natürlich das Top-Modell mit Lederausstattung und jeglichem Schnickschnack mitgebracht. Wie die Basisversion vom Band rollt, ist momentan noch ein Geheimnis.

Doppelt so teuer

Kein Geheimnis sind dagegen die Preise; hier schlägt sich der europäische Qualitätszuwachs in Zahlen nieder. Denn bekommt man in den USA den Jetta schon für schlappe 16.000 Dollar (das sind momentan rund 11.500 Euro), muss man in Deutschland mindestens 20.900 Euro investieren, also fast doppelt so viel. Allerdings fehlt bei dem US-Preis die lokal in der Höhe variierende Mehrwertsteuer. Basismodell in Deutschland ist der Jetta Trendline 1.2 TSI mit 105 PS starkem Turbo-Benziner, der 5,3 Liter konsumieren soll. Die Otto-Palette umfasst außerdem drei weitere, aufgeladene TSI-Motoren mit 122, 160 (beide 1.4 TSI) und satten 200 PS (2.0 TSI).

Bei den Dieseln markiert der ebenfalls 105 PS starke 1.6 TDI den Einstieg; mit BlueMotion-Technology konsumiert er gerade mal 4,2 Liter im europäischen Zyklus. Sein Preis: 23.475 Euro. Selbstzünderseitig hat VW mit dem altbekannten 2.0 TDI in der 140-PS-Version noch ein weiteres Aggregat im Programm. Bis auf den kleinen Benziner sind übrigens alle Triebwerke mit dem Doppelkupplungsgetriebe DSG kombinierbar.

Schon in der Basisversion steht der Jetta auf 205er-Reifen mit 16-Zoll-Felgen und bringt elektrisch einstellbare Außenspiegel, eine Klimaanlage und den Bordcomputer mit. Die bessere Comfortline (rund 1.700 Euro Aufpreis) wird um vielfach verstellbare Komfortsitze, ein CD-Radio und Parksensoren erweitert. Für die Top-Version Highline  sprechen schließlich 17-Zoll-Aluräder, Nebelleuchten und die Klimaautomatik.

Fazit

Der neue VW Jetta ist ein gelungener Wurf und kann sich optisch tatsächlich vom spießigen Image seiner Vorgänger lösen. Auch gibt es innen kaum etwas zu kritisieren, die Verarbeitung ist auf gewohnt hohem VW-Niveau und das Platzangebot üppig. Wer oft zu zweit unterwegs ist und nur selten Gäste im Fond begrüßen muss, braucht eigentlich keinen Passat mehr – der Jetta reicht vollkommen. Und trotzdem dürfte der Verkauf der Limousine in Deutschland nur schleppend verlaufen. Immerhin: Die europaweiten Absatzzahlen dürften trotzdem stimmen, um die Insel Deutschland herum sind Limousinen schließlich gefragt; und nicht zuletzt der russische Markt dürfte große Stückzahlen abnehmen.  

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