Er ist im Grunde ein alter Bekannter: Der VW Tiguan. In mittlerweile zweiter Generation ist das kompakte SUV seit 2016 auf dem Markt und Wolfsburg hat gut daran getan, das wohl beliebteste Auto unter deutschen Carportbesitzern lediglich behutsam fortzuentwickeln. So entere ich frohen Mutes und ohne weiteres Lesen von Handbüchern das Interieur unseres Testwagens und werde ob seiner klaren Strukturiert- und Einfachheit positiv überrascht.
Ein herkömmlicher Lichtschalter, das Multifunktionslenkrad, die separate Klimabedienung sowie die große Radio-Navigationseinheit „Discovery Pro“ zu 2.075 Euro samt überzeugender, kabelloser Einbindung von Apple CarPlay erinnern überwiegend wohltuend an den verflossenen Golf VII. Es ist alles erreichbar, nichts wirft Rätsel auf, man kann sofort starten. So ist man das von einem Volkswagen gewohnt.
Ebenso gewohnt ist man die ordentliche Verarbeitungsqualität. Das Ambiente wirft in Anbetracht des Grundpreises von immerhin 46.100 Euro für unseren eHybrid allerdings Fragen auf: Verwendete Materialien und die Farbauswahl wirken teils günstig und haben eher Nutzfahrzeugcharakter. Dies gilt auch für die mit den Standardsitzbezügen ausgestatteten ergoActive Sitze (465 Euro extra): Der helle Stoffbezug erschien uns darüber hinaus sehr schmutzanfällig.
Die Sitze selbst machen hingegen auch auf der langen Strecke eine gute Figur und bieten eine angenehme Rückenunterstützung sowie ausreichend verstellbare Beinauflagen. Auch Hinterbänkler sitzen bequem und können sich, welch Luxus im "Volkswagen", sogar über beheizbare Rücksitze (im Winterpaket zu 255 Euro) und eine verstellbare Lehne freuen.
Generell: Heizen kann der Wolfsburger. Das fiel mir bereits nach der ersten frostigen Nacht auf, die eine dicke Eisschicht auf den Scheiben des metallicweiß lackierten Tiguan hinterließ. Mit Grauen dachte ich an den Eiskratzer, den ich natürlich in der Wohnung vergessen hatte - das Frankfurter Umland hat es normalerweise nicht so mit dem Schnee. Ich startete also den Motor, wobei der Tiguan eHybrid standardmäßig im vollelektrischen E-Modus startet und lediglich bei absolutem Bedarf den 110 kW/150 PS leistenden 1,4-Liter-TSI hinzuschaltet (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 1,6 l/100 km; Stromverbrauch kombiniert: 16,7 kWh/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 37 g/km²).
Auf faszinierende Weise schaffte es der Teilzeitstromer auch ohne den Verbrenner innerhalb von Minuten, das Eis anzutauen und den Innenraum wohlig zu temperieren: Eine durchaus respektable Leistung. Die schnell ansprechende Lenkrad- und Sitzheizung runden das angenehme Gefühl ab, sich bei jedem Wetter auf den Tiguan eHybrid verlassen zu können.
Auch der 85 kW/115 PS starke Elektroantrieb zeigt sich zunächst von seiner besten Seite. Denn ist von den beiden verfügbaren Modi „Elektro“ und „Hybrid“ ersterer ausgewählt, bleibt der Tiguan im Unterschied zu seinen Konzernschwestern von Audi auch bei Vollgas bis zur letzten verbliebenen Kilowattstunde im Elektromodus. Er schaltet also tatsächlich erst dann den Verbrenner hinzu, wenn die Batterie nicht mehr genügend Strom für den Antrieb zur Verfügung stellen kann. Mit Benzin startet und fährt der Wolfsburger außerdem, wenn der Akku selbst eine Eigentemperatur von weniger als -10 Grad aufweist. Klingt einfach? Ist es auch.
Fahrerisch ist das stets frontgetriebene Wolfsburger SUV ebenfalls von angenehmer Unkompliziertheit. Arbeitet die Lenkung für meinen Geschmack gerade auf der Autobahn zwar teils zu leichtgängig und nervös, ist das optional verstellbare Fahrwerk (DCC, 1.045 Euro) egal in welchem Modus von komfortabler Natur. Auch die Wind- und Abrollgeräusche halten sich stets vornehm im Hintergrund.
Nur der Vierzylinder hat, so er denn mal anspringt, sogar ein etwas sportliches Tönchen zu bieten. Zum gänzlich unauffälligen Gebaren gesellt sich das gewohnt verschliffen arbeitende Sechsgang-DSG, das mit der Fahrstufe "B" eine automatische Rekuperationsstufe bereithält.
Ebenso positiv gestaltet sich der Umschaltvorgang zwischen Verbrenner- und Elektroantrieb. Der Übergang gelingt quasi unmerklich. Kritik muss sich das Hybridsystem dennoch gefallen lassen. Die beworbenen 50 Kilometer rein elektrische Fahrt waren für uns nicht erreichbar, unseren persönlichen Bestwert erreichten wir mit 44 Kilometer unter fast schon gezwungenen Bedingungen.
Sprich: Mit Tempomateinsatz und 80 km/h auf der Autobahn ohne größere Steigungen oder Gefälle. Dann zeigte der Bordcomputer einen Verbrauch von 19,9 kWh pro 100 Kilometer an. Sind Berge, Ampeln oder Beschleunigungsstreifen zwischen A und B, erschienen uns Werte zwischen 30 und 36 Kilometer rein elektrische Fahrt bei vollem Akku realistischer. Laden lässt sich der Tiguan eHybrid derweil per fahrerseitig platziertem AC-Anschluss mit 2,3 bis 3,6 kW. Ein vollständiger Ladevorgang dauert so zwischen vier und fünf Stunden - in Abhängigkeit von der Lademöglichkeit.
Apropos Tempomat: Hier kommt wie bei den meisten modernen Volkswagen auch im Tiguan eHybrid unterstützend der sogenannte Travel Assist zum Einsatz: Ein Instrument, das gerade auf der Autobahn überwiegend Lenkung, Bremse und Gas unterstützend übernehmen kann und zumeist überzeugend funktioniert. Einzig der Spurhalteassistent zeigt sich wenig entschlossen, verliert öfters die Orientierung und streicht bei leicht schwindenden Markierungen die Segel.
Ein paar Worte noch zum Verbrauch: Bei gemäßigter Fahrt liegt der Spritverbrauch auf der Langstrecke (laut Bordcomputer) zwischen sechs und sieben Litern pro 100 Kilometer. Schaltet man mal in den GTE-Modus und fordert damit kurzzeitig die 180 kW/245 PS Systemleistung, ist auch gerne das Doppelte drin - beziehungsweise raus aus dem Tank. Für den eiligen Außendienst empfehlen wir daher weiterhin klar den Selbstzünder im Tiguan.
Der Tiguan eHybrid bleibt auch mit dem kombinierten Elektro- und Verbrennerantrieb ein über die Zeit gewachsenes Automobil - was gerade im Hinblick auf die Nutzerfreundlichkeit definitiv seine Vorteile hat. Ob seiner Variabilität steht er wohl zu Recht an einem der vordersten Ränge aller verkauften Volkswagen überhaupt. Mit der Wahl des mindestens 46.100 Euro teuren Hybridantriebs tun sich Familien oder Firmenwagennutzer aber nur dann einen Gefallen, wenn sie täglich Kurzstrecken um 35 Kilometer absolvieren und über eine regelmäßige Lademöglichkeit verfügen. Auf der Soll-Seite stehen aber auch dann das hohe Fahrzeuggewicht, die eingeschränkte Dynamik und ein Kraftstoffverbrauch, der ohne E-Unterstützung schnell ausufern kann. (Text und Bild: Maximilian Planker).