Bayern im Dezember 2019: Die Tage kurz, der erste Schnee gefallen und die Temperaturen knackig zugleich. Da fühlt sich die neue Volvo S60 Limousine fast wie zu Hause, sind es doch die Skandinavier, die mit Frost und Dunkelheit am besten umgehen können. Und da die Schweden nicht nur sichere, sondern auch komfortable Autos bauen, dürfen die urst bequemen Sitze und das handschmeichelnde Volant optional in drei Stufen geheizt werden. Man sitzt tief und wohlig umschlossen in der Volvo-Limo, die auf den Charme einer neumodernen Skihütte getrimmt wurde. Fehlt eigentlich nur noch ein Pfund Dekoholz (gibt es optional in der Ausstattungslinie „Inscription“) und das Kaminfeuer. Im hochgestellten 9-Zoll-Touchscreen kann man sich ein solches leider nicht anzeigen lassen und so sind es die Verbrauchswerte des T8-Hybrid, die Fahrer und Fuhrparkleiter gleichermaßen ins Schwitzen bringen können. (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 1,8 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 42 g/km²).
Extreme Spreizung beim Verbrauch
Schließlich qualifiziert sich die allradgetriebene Volvo S60 Limousine samt T8 Twin Engine AWD Antrieb für staatliche Subventionen und die 0,5-Prozent-Besteuerung bei Firmenwagen. Einen Durchschnittsverbrauch von 1,8 Liter auf 100 Kilometer gibt Volvo im Datenblatt eigentlich zu Protokoll, Werte um 16 Liter sind aber auch kein Problem. Wer nun denkt, wir seien wie vom Elch gebissen stets bis ins Bodenblech auf dem Gaspedal gestanden, der irrt. Mangels Elektrizität in der netto 9,1 kWh fassenden Lithium-Ionen-Batterie haben wir zunächst den Lademodus unseres situativ allradgetriebenen S60 ausprobiert. Schwerer Fehler, niemals machen! Weshalb es diese Einstellung überhaupt gibt ist uns schleierhaft, verdirbt sie doch das ganze hochtrabende Antriebskonzept hinter den zwei Motoren. Im alltäglichen Hybrid-Modus agieren der 223 kW starke Turbo-Kompressor-Benziner und der 65 kW leistende E-Antrieb (Systemleistung 288 kW oder 390 PS und 640 Nm) nämlich in allerbester Harmonie miteinander. Lässt man zusätzlich die Finger vom Fahrerlebniswählrädchen in der Mittelkonsole, erreicht man immerhin Verbräuche um acht Liter laut Bordcomputer.
S60 T8 erreicht alltagstaugliche E-Reichweite
Dabei ist der eigentliche Kraftstoffkonsum stark davon abhängig, wie muffig man mit dem Ladekabel im Kofferraum umgeht. Lädt man das Batteriepack brav und wie vom Hersteller vorgesehen über Nacht am Hausstrom (oder innert vier Stunden an der Wallbox), so ergeben sich in der Tat alltagsnahe E-Reichweiten zwischen 40 und 45 Kilometer. Bis zu 135 Stundenkilometer schnell lässt es sich vollends elektrisch fahren, danach eilt der Benziner zur Hilfe. Er bewerkstelligt die noch einprogrammierte Höchstgeschwindigkeit in der S60 T8 Limousine von Tempo 250. Das „noch“ bezieht sich dabei auf das Ansinnen Volvos, seine Autos ab Mai 2020 bei 180 Stundenkilometer vernunftsbewusst zu reglementieren. Ob diese Entscheidung der Schweden wirklich bei allen Modellen (Stichwort: Polestar) zutrifft, bleibt abzuwarten. Ganz sicher ist hingegen, dass sich die immerhin mindestens 2.031 Kilogramm schwere Limousine fahrdynamisch nicht verstecken muss.
Dynamische Straßenlage, trotz zwei Tonnen Gewicht
Lenkung, Fahrwerk und natürlich der Antrieb sorgen für große Fahrfreuden, lassen den 4,76 Meter langen S60 gut kontrollierbar, sportlich-komfortabel und kraftvoll auf der Straße liegen. Einzig die Motorgeräusche passen nicht zum dynamischen Auftritt. In höheren Drehzahlen wirken sie angestrengt und leider wenig sportlich. Die Lärmsensibilisierung kommt allerdings auch daher, weil man im Normalbetrieb kaum etwas vom Motorenduo zu hören bekommt. Akustikglas vorne tut optional sein Übriges, damit die vermeintlich böse Außenwelt fern der Insassen bleibt. Und damit man auch für andere nicht zum Schreckgespenst wird, passt der Volvo stets darauf auf, das nichts passiert. Abstandsregeltempomat samt Spürführungsassistent arbeiten auf gut ausgebauten Staatsstraßen mittlerweile mit wenig Fehl und Tadel. Dann zumindest, wenn das lokale Straßenbauamt seiner Asphaltmarkierungspflichten auch in aller Ordentlichkeit nachgekommen ist.
Übereifrige Assistenten, mangelnde Sprachbedienung
Problematischer wird es da schon mit dem Rückfahrassistenten samt Querverkehrserkennung. Radartechnik scannt beispielsweise beim Ausparken den hinteren Bereich des Fahrzeugs und warnt, falls sich andere Verkehrsteilnehmer nähern. Was gut gemeint ist, entpuppt sich im wahren Autofahrerleben als Garant für einen frühzeitigen Herzinfarkt. Dann etwa, wenn beim Ausparken, trotz bester Sichtverhältnisse und keinerlei anderer Verkehrsteilnehmer, plötzlich eine Notbremsung eingeleitet wird. Sammeln, einmal tief durchatmen und dann weiter zum Infotainment-System. Wie bereits bei unserem Test zum Volvo V60 Cross Country angemerkt, ist hier noch klar Luft nach oben. Darstellung und Funktionsumfang gefallen, die Bedienung geht mit etwas Zeitaufwand ebenfalls in Ordnung, wird aber von der miserablen Sprachbedienung im Detail zunichte gemacht. Die Dame im Schweden-Navi versteht keine freimütigen Lippenbekenntnisse und tut sich selbst mit klaren Kommandoreihenfolgen schwer. Ans Ziel kamen wir daher nur mittels der händischen Eingabe über das Display. Es wird am unteren Ende um sinnvolle echte Bedienelemente erweitert – unter anderem um einen ergonomisch bestens angebrachten Lautstärkenregler und Titelsprungtasten.
Gute Raumausnutzung, saftig im Preis
Was fehlt uns im Interieur? Eindeutig eine direkte Bedienmöglichkeit für die Klimaanlage und größere Ablageflächen. Hier geizt Volvo massiv, bietet ein lediglich flaches Mittelarmfach und keine induktive Lademöglichkeit für Smartphones. Gut ist dagegen die Raumausnutzung in der S60 Limousine. Vorne ist für zwei Sitzriesen immer Platz, doch selbst hinten lässt es sich kommod reisen, wenn man nicht zu breit gebaut ist. Zwar ist im Fond auch zum Dachhimmel hin nicht viel Luft, richtig eng wird es jedoch nur zu den Türen und zum möglichen Sitznachbarn. Das Kofferraumvolumen beträgt derweil klassenübliche 396 Liter. Wir kommen zurück auf das eingangs erwähnte Kaminfeuer, das Volvo im Hinblick auf das Preisgebaren möglicherweise noch implementieren sollte. Denn mit einem Einstandspreis von 59.150 Euro ist der S60 T8 Twin Engine AWD sicherlich kein Geschenk und kostet im Falle unseres Testwagens sogar augentränende 73.000 Euro.
Fazit
Volvos neue S60 Limousine ist nicht nur rein äußerlich ein großer Wurf geworden. Auch im Innenraum besticht der Schwede, der erstmals im neuen US-Werk Charleston gefertigt wird, mit wertigen Materialien und seinem nordisch-funktionalen Design. Speziell der stärkste Hybrid-Antrieb T8 Twin Engine AWD mit einer Systemleistung von 390 PS hebt sich dagegen mehr durch seine Performance, denn durch sein Einsparpotential beim Kraftstoff ab. Er eignet sich am besten für Firmenwagenberechtige (0,5-Prozent-Regel), die gerne ziemlich flott unterwegs sein wollen, sich nach außen aber gleichzeitig mit dem grünen Daumen rühmen möchten. Eine alltagstaugliche E-Reichweite von 40 Kilometer unterstreicht die Umweltbemühungen des Fahrers, sofern man das Ladekabel auch wirklich aus dem Kofferraum holt. Allen anderen sei der S60 mit regulärem Benzinantrieb nahegelegt – ein Diesel ist dagegen nicht mehr zu bekommen. (Text und Bild: Thomas Vogelhuber)
Technische Daten*
- Modell: Volvo S60 T8 Twin Engine AWD R-Design
- Motor: Vierzylinder-R, Turbo-Kompressor, 1.969 ccm
- Leistung: 390 PS (65 kW E-Motor, 223 kW Benziner)
- Drehmoment: 640 Nm
- Antrieb: Allrad, 8-Gang-Geartronic
- Verbrauch kombiniert: 1,8 l/100 km²
- CO2-Emissionen kombiniert: 42 g/km²
- Beschleunigung (0 – 100 km/h): 4,6 s
- Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h
- Abmessungen (L/B/H): 4,76 m/ 1,85 m/ 1,44 m
- Gewicht: 2.031 Kg
- Grundpreis: 59.150 Euro
*Herstellerangaben