Der italienische Motorradhersteller Aprilia ist ein Kunstprodukt. Ein typischer Vertreter neuen Markenverstandnisses und neuer Firmenideologien. Allein der Erfolg zahlt. Mit dem sturen Traditionalismus von Harley Davidson und der britisch-skurrilen Hochnasigkeit von Triumph haben die Aprilia-Mannen nichts am Hut. Auch mit dem kuhlen Perfektionismus von BMW und dem konsequenten Qualitatsstreben von Honda konnen sich die Italiener nicht identifizieren. Aprilia will einfach nur gute Motorrader zu einem vernunftigen Preis bauen. Und das gelingt ihnen, auch wenn die optische Erscheinung mancher Modelle nicht jedermanns Geschmack trifft. Doch das ist bei anderen Marken ahnlich. Der Zweiradhersteller Aprilia ist noch keine 30 Jahre alt und damit eines der jungsten Unternehmen in der Branche. Der Firmengrunder Alberto Beggio begann mit Fahrradern, sein Sohn Ivano, der heute das Unternehmen leitet, uberzeugte seinen Vater erfolgreich, doch lieber Motorrader zu bauen. Kleine Gelandesportmaschinen bildeten den Anfang. Dann - 1992 - kam ein Großauftrag: Fur die neue Einzylinder-BMW F 650 fertigt Aprilia den Motor. Bei Aprilia geht es stetig bergauf. In Italien hat Aprilia keinen Exotenstatus wie in Deutschland, sondern liegt in den Zulassungszahlen deutlich vor Kawasaki und Suzuki. Motorleistung wurde bei Aprilia immer groß geschrieben. Beim kleinen Roller ebenso wie beim 1000-er Supersportler.
Typisch: Aprilia halt nichts vom neuen E 10-Kraftstoff, auch wenn ihn die meisten neuen Modelle vertragen. Aprilia rat von E 10 ab. Grund: Der Biokraftstoff vermindert die Motorleistung, wenn auch nur geringfugig. Bei Aprilias Spitzenmodell, der RSV 4, werden auch erfahrene Piloten den Leistungsunterschied nicht spuren. Heftige 180 PS macht der Vierzylinder locker. Die Maschine gibt es als noch relativ artiges Grundmodell fur 15.404 Euro. Die Ausfuhrungen “Factory” (20.204 Euro) und “APRC” (22.204 Euro) sehen hingegen aus, als kamen sie direkt von der Rennstrecke und man hatte ihnen irrtumlich Lichtanlage, Spiegel und Kennzeichen angeschraubt. Es gibt auch friedliche Modelle bei Aprilia. Der Aprilia Atlantic fur 4.399 Euro ist ein komfortabler Luxusroller mit 125 ccm. Auch die Mittelklasse bereichert Aprilia mit interessanten Modellen. Ein sehr faires Angebot bei den ansonsten leicht hochpreisigen Italienern ist die Aprilia Shiver. Fur 7.813 Euro gibt es einen 95 PS starken Zweizylinder, sehr angenehme Sitzposition und optionales ABS. Eine Besonderheit bietet Aprilia bei der 850-er Magna (9.713 Euro): Sie besitzt ein Automatikgetriebe. “Echte” Motorradfahrer schutteln da entsetzt den Kopf, das System uberzeugt aber durch schnelle, saubere und intelligente Gangwechsel.
Eine Aprilia darf man getrost gebraucht kaufen. Aprilia-Fahrer sind mehrheitlich Liebhaber, die ihren Liebling hegen und pflegen. Geheimtipp fur kleines Geld: die 650-er Aprilia Pegaso (ab 1.500 Euro). Die Pegaso verwendet den gleichen Einzylindermotor wie die BMW F 650. Die Maschine ist eine Enduro mit klarer Straßenausrichtung. Ein anspruchsloses Gebrauchsmotorrad fur alle Tage. Robust, solide und zuverlassig. Mit gutem Fahrkomfort und angenehmer Sitzposition. Schade, dass Aprilia so etwas heute nicht mehr baut. Waren die 48 PS der Pegaso den Italienern etwa zu wenig Leistung? Wer die aufrechte Sitzposition bei Enduro-Optik bevorzugt, muss bei Aprilia heutzutage schon 11.513 Euro fur die neue Dorsoduro 1200 anlegen. Die stemmt allerdings schon 130 PS. Oder er greift zur hasslichen 750-er fur 8.193 Euro. Oder geht zur Konkurrenz.