Die Motorradkategorie “Reiseenduro” vereint die Vorzüge mehrerer Modelle aus anderen Bereichen. Eine Enduro ist von der Grundidee her ein sehr einfaches, robustes und hochbeiniges Motorrad, das auch vor leichtem Gelände nicht zurückschreckt. Die erste klassische Enduro war die Yamaha XT 500. Besonders beliebt war der ruppige Einzylinder bei Fernreisenden, obwohl die XT nach heutigem Verständnis dafür nicht gerade prädestiniert war. Der Tank war zu klein, die 6 V-Lichtmaschine zu schwach. Auf modischen Schnickschnack verzichtete die XT 500. Leider auch auf einen Elektrostarter, der dicke Einzylinder musste per Kickstarter zum Leben erweckt werden, was besonders für zierliche Personen nicht ganz unproblematisch war. Die Nachfolgerinnen der XT 500, die XT 600 und die XT 660, konnten alles besser. Längere Federwege, größere Tanks, Elektrostarter - den Kultstatus der 500-er vermochten die Nachfolgerinnen allerdings nicht zu erreichen. Auch bei BMW gibt es einen Urahn aller Reiseenduros, die BMW R 80 G/S. Hochbeinig, mit grob profilierten Reifen, präsentierte sich die 50 PS starke Zweizylinder-Boxermaschine Anfang der achtziger Jahre der staunenden Öffentlichkeit. Der große Vorteil der BMW war der pflegeleichte Kardanantrieb, der das lästige Kettenspannen erübrigte. Logisch, dass bald stärkere Versionen mit Einliter-Motor und 60 PS folgten. Die Idee, dass man im marokkanischen Atlasgebirge oder im Norden Skandinaviens ganz wunderbar Motorrad fahren konnte, war richtig. Nur musste man da erst einmal hinkommen. Hunderte oder gar tausende langweiliger Fernstraßenkilometer, die sich mit der maximal 135 Stundenkilometer “schnellen” Yamaha XT 500 doch recht zäh gestalteten. Die BMW R 80 G/S lief voll beladen auch mal so gerade 160 Stundenkilometer - und das keinesfalls auf Dauer. Mehr Leistung musste her, mehr Autobahnpower! Vielleicht sogar noch eine Verkleidung, bitteschön, damit die Fernreisenden einigermaßen vor Wind und Wetter geschützt waren. Und gute Koffersysteme ab Werk, bitteschön. Nicht jeder möchte basteln. Die Hersteller - nicht alle - reagierten. Die Reiseenduro war geboren.
Heute sind die Modelle der Reiseenduros eine der beliebtesten Motorradkategorien. Souveräne Maschinen für endlose bequeme Kilometer. In echtes Gelände fährt mit den teuren Riesen kaum noch jemand. Als erster Hersteller hat Triumph daraus die Konsequenz gezogen und rüstet seine Reiseenduros mit reinen Straßenreifen aus. Ein Yamaha XT 500-Fahrer, hätte er damals 30 Jahre in die Zukunft blicken können, würde sich ob der Triumph Tiger ohnehin die Augen reiben. Mächtige Dreischeibenbremsanlage, rahmenfeste Habverkleidung und nicht etwa nur ein Zylinder, auch nicht zwei, sondern tatsächlich drei. Die lassen zornig fauchende 116 PS los, die den Tiger 220 Stundenkilometer schnell machen. Auf der bequemen Sitzbank lassen sich leicht 1000 Kilometer an einem Stück absolvieren. Die Triumph Tiger für 11.400 Euro ist ein rundum ausgewogenes, sehr empfehlenswertes Motorrad, das den Begriff “Reiseenduro” ganz neu, aber vollkommen richtig interpretiert. Aber die meistverkaufte Reiseenduro ist sie nicht. Das ist die BMW R 1200 GS. In Deutschland ist sie sogar das meistverkaufte Motorrad überhaupt. Ab 13.000 Euro gibt es den 110 PS starken Meisterboxer. Wer seine GS gebraucht kauft, sollte auf einen kompletten Wartungsnachweis achten. Das Gleiche gilt für die Triumph. Ansonsten: grünes Licht für die beiden. Übrigens: Es gibt die Yamaha XT immer noch als Neumaschine, als XT 660 R für 6.595 Euro.