In den 1990er Jahren hätte kaum jemand darauf gesetzt, dass die meist mittelständisch geprägte Zweiradproduktion in Deutschland eine Zukunft haben würde. Fahrräder, Scooter oder Motorräder Made in Germany schienen in Zeiten rückläufiger Absatzzahlen Auslaufmodelle zu sein. Die asiatischen Produzenten konnten ihre Position hingegen mit Kampfpreisen sowie einer auf die junge Zielgruppe ausgerichteten Modellpolitik ausbauen und ihren Marktanteil stetig vergrößern. Dann entdeckten die Deutschen das Fahrrad als Freizeitgerät wieder und klappbare Tretroller mit Skateboardbereifung wurden an der Seite motorisierter Zweiräder wie Cityscootern oder Rollern im Retrolook der 60er Jahre als städtisches Transportmittel zum Trend. Aber auch technische Innovationen sorgten dafür, dass die Branche neue Impulse erhielt und wieder auf Wachstumskurs gehen konnte. Kompakte Elektromotoren und leistungsfähige Akkus eröffneten etwa die Möglichkeit, Zweiräder mit alternativen Antrieben auszustatten. Zu den Pionieren umweltfreundlicher E-Bikes aus deutscher Produktion gehörte das Hamburger Unternehmen Tante Paula, das im Jahr 2001 seinen ersten Elektroroller auf den Märkten einführte.
Die meisten Newcomer und auch viele Traditionshersteller bedienten den boomenden Markt für E-Bikes mit Produkten, deren Konstruktionen elektrische Antriebe und herkömmliche Bauformen vereinten. So kamen Fahrräder mit Hilfsmotor als Pedelec genannte Modelle auf den Markt oder Motorroller mit E-Antrieb, die sich optisch nicht von einem Scooter mit Verbrennungsmotor unterschieden. Tante Paula jedoch entwickelte ein vollkommen eigenständiges Konzept: Die Zweiräder der Hamburger kombinierten Konstruktionsmerkmale von Scooter, Fahrrad und Kickroller. Zulassungstechnisch galten die meisten E-Roller von Tante Paula wie etwa Mofas als Kleinkrafträder.
Entsprechend durften sie ab 15 Jahren mit einer Mofa Prüfbescheinigung und einem Versicherungskennzeichen gefahren werden. Auch ein normaler Pkw-Führerschein der Klasse B reichte dafür aus. Vor dem 1. April 1965 Geborene durften einen Elektroroller von Tante Paula sogar ohne Fahrerlaubnis im Straßenverkehr bewegen. Weitere rechtliche Besonderheit: Da die Höchstgeschwindigkeit der kleinen E-Bikes auf 20 Stundenkilometer begrenzt war, bestand für ein Zweirad der Marke Tante Paula im Gegensatz zu den bis 25 km/h zugelassenen Mofas keine offizielle Helmpflicht. Eine Ausnahme bildeten die Modelle der Baureihe Maximilian, die als Leichtkrafträder klassifiziert waren.
Ihre Prototypen hatten die Konstrukteure von Tante Paula im Jahr 2000 noch im Stil eines traditionellen Stehrollers entwickelt. Mit dem hohen Lenkgestänge und einem breiten Trittbrett ohne Sitz konnten die ersten E-Roller aufrecht stehend gefahren werden. Das entsprach zwar dem Auftritt der zu dieser Zeit gerade angesagten Alu-Kickscooter mit Skateboard-ähnlichen Kugellagern und Rädern. Doch für eine auf mehr Komfort ausgerichtete und weniger die Muskeln strapazierende Roller-Variante mit Elektroantrieb schien es chancenreicher zu sein, die Konstruktion der Tante Paula E-Bikes um einen aus dem Fahrradbau bekannten Sattelsitz mit Rohrgestänge zu ergänzen. Bei dem Ferdinand getauften Modell setzten die Hamburger diese Bauweise dann um und präsentierten damit die erste Seriengeneration ihrer Elektroroller.
Der von Roller-Kindheitserinnerungen inspirierte Firmenname und die besondere Bauart des Ferdinand gaben bereits einen klaren Hinweis darauf, wie Tante Paula seine Zweiräder am Markt positionieren wollte: Als unkonventionelle Bikes mit hohem Lifestyleanspruch, die mit ihrem emissionsfreien Antrieb zugleich eine Alternative zu den Alu-Kickscootern wie den Motorrollern mit Zwei- oder Viertaktaggregaten sein konnten. Allerdings mussten sich Käufer eines neuen Ferdinand I mit einer im Vergleich zu den Nachfolgegenerationen geringeren Reichweite begnügen. Die anfangs verbauten Blei-Gel Akkumulatoren der 500 Watt Elektroroller von Tante Paula waren für eine Strecke von nur gut 15 Kilometern ausgelegt.
Wer sich auf dem Markt für gebrauchte Elektroroller nach einem Ferdinand umschaute, fand dort allerdings auch Modelle der Baureihe, für die höhere Reichweiten angegeben wurden. Die Erklärung dafür: Im Laufe der Zeit entwickelten die Ingenieure von Tante Paula die Technik ihrer E-Roller weiter. So brachte der Hersteller im Jahr 2009 mit dem Ferdinand II eine überarbeitete Version in den Handel, mit der die Reichweite gesteigert werden konnte. In der Standardausführung konnte der Ferdinand II mit einer Akkuladung nun gut 18 Kilometer weit fahren. Als Option bot Tante Paula ein Performance-Akku an, mit dem die Reichweite auf etwa 25 Kilometer gesteigert werden konnte. Allerdings hing dieser Wert wie bei E-Antrieben üblich von zahlreichen Faktoren ab. Das Fahrergewicht des für eine Maximalbelastung von 140 Kilogramm ausgelegten Ferdinand spielte für die Reichweite ebenso eine Rolle wie die Außentemperatur oder die Steigungen auf der Wegstrecke.
Mit dem Ferdinand III baute Tante Paula das Programm um einen E-Roller aus, der mit stärkerem Motor, größerer Reichweite und zwei Gepäckträgern als Lastenträger einsetzbar war. Für das Spitzenmodell der Baureihe Ferdinand setzte der Hersteller anstelle der 500 Watt Motoren ein E-Aggregat mit einer Leistungsabgabe von 800 Watt ein. Das aus Siliziumzellen bestehende Akkupack konnte Energie für eine Wegstrecke bis etwa 30 Kilometer speichern. Dazu gab es für den Ferdinand III eine Komfortausstattung mit einem luftgefederten Sattel, eine hintere Schwingarmfederung, Alufelgen sowie eine Allwetter-Bereifung mit selbstdichtendem Gummischlauch. Besonderheit des Ferdinand III: Tante Paula stattete den E-Roller zusätzlich zum Heckgepäckträger mit einem Frontgepäckträger aus, auf dem ein großer Einkaufskorb oder eine Getränkekiste Platz finden konnten.
Flaggschiff im Programm der Tante Paula Elektroroller war der sportlich designte Maximilian, den die Hamburger mit einem leistungsstarken 1000 Watt Elektromotor ausstatteten. Damit konnten der Maximilian I und sein Nachfolger Maximilian II eine Höchstgeschwindigkeit von 32 Stundenkilometern erreichen. Im Gegensatz zu den auf 20 km/h begrenzten Modellen der Baureihe Ferdinand war für das 1000 Watt E-Bike von Tante Paula ein Führerschein der Klasse A1 notwendig, der ab 16 Jahren erworben werden konnte. Entsprechend der Einstufung bestand für die Elektroroller der Baureihe Maximilian außerdem Helmpflicht.
Hinsichtlich der Ladezeit unterschieden sich die E-Bikes der unterschiedlichen Tante-Paula-Baureihen kaum. Mit dem serienmäßig mitgelieferten Ladegerät konnte sich das in einer Tragetasche untergebrachte und herausnehmbare Akku in drei bis vier Stunden aufladen lassen. Mit dem optionalen Schnelllader war ein neuer oder gebrauchter Elektroroller von Tante Paula innerhalb von gut zwei Stunden wieder einsatzbereit.