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Erster Test Lotus Eletre R: Hyper-SUV mit 905 PS

Die Bastion Lotus ist geschliffen. Ausgerechnet im 75. Jubiläumsjahr verabschieden sich die Briten vom reinen Sportwagenbau – und bieten erstmalig ein elektrisches SUV an. Der Top-Eletre hat bis zu 905 PS und kostet über 150.000 Euro.

Der Lotus Eletre auf einen Blick

  • Die Engländer bringen ihr erstes Elektro-SUV
  • 800-Volt-System sorgt für kurze Ladezeiten
  • R-Modell beschleunigt in 2,95 Sekunden auf 100 km/h
  • Luftfederung schon in der Basisausstattung
  • Startpreis: Ab 95.990 Euro

LOTUS ELETRE S SOLAR YELLOW DYNAMIC 2

Lotus Eletre: Die englisch-deutsch-chinesische Freundschaft

Was schenkt sich ein legendärer Sportwagenbauer zum 75. Geburtstag? Bei Porsche ist die Antwort ziemlich einfach. Einen Sportwagen, logisch! Wieder einmal einen ganz besonderen, den 911er ST in diesem Fall. Bei der britischen Kultmarke Lotus, die heuer ebenfalls ihren 75. feiert, ist alles ganz anders. Da fährt man zum Jubiläum das erste SUV in der Geschichte auf. Und noch dazu voll elektrisch. Die spinnen die Briten – oder doch nicht? Unsere anfängliche Skepsis jedenfalls wurde nach jedem Kilometer mit dem Lotus Eletre kleiner (Lotus Eletre Modellfamilie, Stromverbrauch kombiniert: 30,7-21,4–kW/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 0 g/km)². Und zwar rasant.

Aber noch mal auf Anfang. Was heißt hier britisch? Lotus ist mittlerweile fest in chinesischer Hand. Die Beijing State-Owned Assets Supervision & Administration hält knapp 10 Prozent am schwäbischen Autobauer und der Milliardär Shu Fu Li (Zhejiang Geely Holding Group) nochmals knapp 9,7 Prozent. Der Chinese sammelt mittlerweile Automarken wie andere Leute Briefmarken. Erst kürzlich hat Geely seinen Anteil an Aston Martin auf 17 Prozent erhöht, Volvo, Polestar sind ebenso wie Lotus 100-prozentige Töchter. Der neue Eletre ist jedoch ein „global car“, wie man bei Lotus versichert. Designt in England, entwickelt in Deutschland, gebaut in China. Was die Deutschen damit zu tun haben? In Raunheim, ganz in der Nähe des Frankfurter Flughafens, steht das Entwicklungszentrum von Lotus, immerhin 200 Frau und Mann stark.

LOTUS ELETRE S SOLAR YELLOW INTERIOR 1 Kopie

James-Bond-Auto mit versteckten Klappen

75 Jahre Lotus – und jetzt das. Der Gegensatz zwischen einst und jetzt jedenfalls ist krass. Elise, die legendäre über 25 Jahre gebaute Sportwagen-Ikone, war nur 700 Kilogramm schwer, wurde von einem 1,8-Liter-Motor und 118 PS angetrieben: 5,5 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Wir schreiben das Jahr 2023: Lotus Eletre, knapp 2,5 Tonnen schwer, zwei E-Maschinen auf Vorder- und Hinterachse mit 603 PS: 4,5 Sekunden von 0 auf 100! Hier flache Flunder, dort ein Hyper-SUV mit über fünf Metern Länge.

Doch weiter im Text mit einer zarten Annäherung an die knallgelbe (solar yellow, so die offizielle Farb-Bezeichnung) SUV-Rakete, die hier im norwegischen Oslo steht, bereit für die ersten Testfahrten. Die britischen Designer haben sich sicherlich Mut angetrunken mit dem ein oder anderen Pint, wenn man sich die abenteuerlichen Formen des Eletre so ansieht. Barock, kantig, schnittig, futuristisch. Vorne sieht das Lotus-SUV wie ein Lamborghini Urus aus, hinten fast schon obszön große Backen mit Luftauslässen, da passt sogar ein Maßkrug rein. Der Auftritt des Eletre ist selbstbewusst, aber nicht aggressiv. Nicht so großspurig wie die BMW-Konkurrenz iX, nicht so rundgelutscht wie das Mercedes EQE SUV.

Auffällig ist der zweigeteilte Dach-Heckspoiler, der an die Helm-Flügel des Götterboten Hermes erinnert. Und dann sind da noch die vielen geheimnisvollen Klappen, zum Beispiel an den Radläufen vorne. Erinnert an James-Bond-Autos. Mit dem Unterschied, dass hier keine Handgranaten herausgeworfen oder Boden-Luft-Raketen abgefeuert werden. Dahinter verbergen sich die zahlreichen Lidar- und Radarsysteme, mit denen der Eletre gespickt ist wie kaum ein anderes Auto. Technisch bereit für automatisiertes Fahren Level 4.

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Sound-System mit 2.160 Watt und 23 Lautsprechern, aber…

Innen gibt es zunächst einmal viel Platz. Kein Wunder bei einem Radstand von 3,02 Metern. Damit fährt man auf Augenhöhe mit der S-Klasse. Durch das riesige Panoramadach flutet das Licht die Kabine, die man hinten wahlweise mit zwei Business-Sitzen oder der üblichen Dreier-Kombi ausstatten kann. Das Leder fühlt sich gut an, der Kunststoff sieht nicht billig aus – die Fertigungsqualität genügt auch höchsten Ansprüchen. Muss es auch, denn der Eletre (ungarisch: zum Leben erwecken) will beim Erwerb richtig viel Bargeld sehen. Ab knapp 96.000 Euro gibt es das Basismodell. Der besser ausgestattete aber von der Leistungsdaten her identische S kostet schon 121.000 Euro. Und dann gibt es ja noch die Urgewalt Lotus R Eletre mit 905 PS – da werden dann aber schon 151.000 Euro fällig.

Ungewöhnlich präsentiert sich das Cockpit. Denn einen klassischen Tacho, weder analog noch digital, sucht man hier vergeblich. Stattdessen gibt es nur schmale Bildschirmstreifen, eingelassen in die Armaturentafel. Und zwar für Fahrer und Beifahrer gleich. Der Unterschied ist der Inhalt. Beim Fahrer zeigt das ultraflache Display alle wichtigen Informationen wie Tempo, Blinker und Rekuperationsgrad an. Der Beisitzer sieht das Plattencover des jeweiligen Songs und kann auf dem Touchscreen vor- und zurückspulen. Die Lautstärke muss leider umständlich am großen, hochauflösenden OLED-Bildschirm in der Mitte eingestellt werden. Und gleich noch ein Kritikpunkt: Das auf dem Papier so opulent klingende Soundsystem (2.160 Watt, 23 Lautsprecher) stammt von der britischen HiFi-Schmiede KEF und schneidet beim ersten Probehören eher unterdurchschnittlich ab. Es gibt nur drei eher seichte Grundeinstellungen und keinen Equalizer. Von einer Firma, die für limitierte Designer-Lautsprecher schon mal 200.000 Euro das Paar verlangt, hätten wir mehr erwartet. Aber hört hört, hier soll nachgebessert werden.

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Lotus Eletre fordert Ferrari, Pagani & Köenigsegg heraus

Nachbesserungsbedarf besteht definitiv nicht bei der technischen Ausstattung und auch nicht bei Leistung des Eletre. Schon die Basis mit 603 PS und 720 Nm Drehmoment ist eine Macht. Modell R toppt das ganze noch mit fast schon brachialer Gewalt. 905 PS und fast 1.000 Nm Drehmoment machen aus dem SUV eine Rakete auf Rädern. 2,95 Sekunden von 0 auf 100 km/h – hinter dieser Zahl steckt zum einen ganz klar das Bemühen von Lotus, dass man tunlichst unter drei Sekunden bleibt, aber auch das, was die exklusive Kundschaft will. Ein SUV im Sportwagenformat, das auf Augenhöhe mit Ferrari F8 Tributo, Koenigsegg Agera RS, MC Laren 720 S oder Pagani Huayra BC fährt. Dass die Beschleunigung explosionsartig und deshalb gewöhnungsbedürftig ist, wissen alle, die bei einem derartig hochgerüsteten Elektro-Auto schon mal auf die Tube gedrückt haben.

Fahrtechnisch lässt der Eletre nichts zu wünschen übrig. Zur Standard-Ausstattung gehört Allrad, variable Drehmoment-Verteilung (Torque Vectoring) und die Zweikammer-Luftfederung mit aktiver Dämpfer-Verstellung. All diese Assistenten haben ein gemeinsames Ziel. Den mindestens 2,5 Tonnen schweren Koloss auch unter Höchstlast im Zaum zu halten. Das gelingt meistens erstaunlich gut, der Eletre fühlt sich leichter an als er eigentlich ist. Er wankt und weicht nicht ab in den Kurven, die Karosserie knickt auch bei starkem Bremsen nicht ein. Trotzdem merkt man wie die Fliehkräfte am Hüftspeck zerren. Da muss man beim Lenken manchmal schon stark dagegenhalten. Im Komfort-Modus hingegen fühlt man sich wie auf einem fliegenden Teppich. In Norwegen freilich lässt sich all dies eher nicht so gut ausprobieren. Mehr als 80 km/h sind auf offener Strecke nicht erlaubt, meist wird das Tempo auf 60 oder gar 40 km/h limitiert.

Umso erstaunlicher ist der Verbrauch des Hyper-SUVs. Wir haben 24 kW im Schnitt auf der Uhr. Auf den kurzen dynamischen Abschnitten, an denen hoffentlich keiner der zahlreichen Blitzer stand, erreichen wir spielend 30 kW je 100 Kilometer. Von daher darf man den offiziellen Reichweiten-Angaben zwischen 410 und 600 Kilometern eher misstrauen. Gut, dass der 112 kWh-Akku dank des 800 Volt-Systems und einer Ladeleistung von bis zu 350 kW im Idealfall 400 Kilometer in 20 Minuten aufladen soll.

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Erstes Fazit

SUV, SUV – hurra. Auch eine der letzten Bastionen, einer der letzten reinrassigen Sportwagenbauer, ist gefallen. Nach Porsche, Lamborghini und Ferrari bietet auch Lotus so ein Auto an. So eine Art von Auto. Wir waren zunächst skeptisch – doch die Fahrleistungen und die Qualität des Eletre haben voll überzeugt. Noch mehr beeindruckt waren wir aber von der Fertigungstiefe, die der chinesische Hersteller Geely bietet. Sowohl von der Hardware als auch digital. Auch in einem anderen Bereich sind die Chinesen mittlerweile ebenbürtig: Der Preis ist ziemlich premium – mal sehen, ob die zahlungskräftige Klientel sich locken lässt. Mit dem Namen Lotus jedenfalls sind die Startvoraussetzungen schon mal nicht so schlecht.(Text: Rudolf Bögel | Bilder: Hersteller)

Technische Daten Lotus Eletre*

Modell Lotus Eletre / Eletre R
Zwei E-Maschinen (Gesamtleistung) 450 kW (603 PS) / 675 kW (905 PS)
Drehmoment 720/985 Nm
Verbrauch (je nach Ausstattung und Bereifung) 21,4–30,7 kW/100 km
Reichweite (je nach Ausstattung und Bereifung) 410–600 km
Beschleunigung ( –100 km/h) 4,5/2,95 s
Höchstgeschwindigkeit 258/265 km/h
Batterie 112 kWh Lithium-Ionen
Ladeleistung 22 kW (AC)/350 kW (DC)
Ladezeit (10–80 %/DC) 20 min
Ladezeit (0–100 %/AC) 5,8 std.
Abmessungen (L/B/H) 5,10 m/ 2,14 m/ 1,63 m
Gewicht 2565-bis 2745 kg
Kofferraum 688–1532 l (Frunk 46 l)
Anhängelast 2.250 kg
Grundpreis 95.990/150.990 Euro

*Herstellerangaben

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